35-Stunden-Woche

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Aktualisiert am 28. April 2025
Anna Geisler
Geschrieben von Anna Geisler
Kollegin Katharina
Geschrieben von Katharina Primke

Die 35-Stunden-Woche steht seit Jahrzehnten für ein alternatives Vollzeitmodell, das vor allem in tarifgebundenen Branchen wie der Metall- und Elektroindustrie Anwendung findet. Gleichzeitig gewinnt das Thema auch in anderen Bereichen wieder an Bedeutung – etwa im Zusammenhang mit der Vier-Tage-Woche, dem Fachkräftemangel oder dem Wunsch nach mehr Flexibilität. Doch wie funktioniert eine Arbeitszeitverkürzung in der Praxis? Welche Auswirkungen hat sie auf Gehalt, Urlaub oder Rentenansprüche? Der folgende Artikel beleuchtet Hintergründe, Modelle, rechtliche Rahmenbedingungen und Argumente für und gegen die 35-Stunden-Woche.

Definition: Was ist die 35-Stunden-Woche?

Die 35-Stunden-Woche ist ein Arbeitszeitmodell, bei dem die reguläre Wochenarbeitszeit 35 Stunden beträgt. Sie stellt damit eine Reduzierung gegenüber der in vielen Branchen üblichen 40-Stunden-Woche dar. In der Praxis bedeutet dies, dass Arbeitnehmer beispielsweise an fünf Tagen pro Woche je sieben Stunden arbeiten. Die 35-Stunden-Woche – häufig auch 35 Std. Woche oder 35 h Woche geschrieben – gilt als klassische Vollzeitstelle in bestimmten tarifgebundenen Branchen, vor allem in der deutschen Metall- und Elektroindustrie.

Ziel des Modells ist es, die tägliche und wöchentliche Arbeitsbelastung zu senken, die Lebensqualität zu steigern und Arbeitsplätze gerechter zu verteilen. Gleichzeitig hat die 35-Stunden-Woche Symbolcharakter für arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeitpolitik in Deutschland.

Woher kommt die 35-Stundenwoche?

Die Idee der Arbeitszeitverkürzung ist nicht neu – bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert kämpften Arbeiterbewegungen für die Einführung des Achtstundentags. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich zunehmend die 40-Stunden-Woche als Standard. Mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel in den 1970er- und 1980er-Jahren kam die Diskussion um eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit erneut auf. Ziel war es, auf Arbeitslosigkeit und Automatisierung zu reagieren und neue Verteilungsmodelle für Arbeit zu schaffen. Dabei wurden zunehmend Argumente, Stunden zu reduzieren, gefunden und in den Mittelpunkt gerückt.

Maßgeblich vorangetrieben wurde die Einführung der 35-Stunden-Woche in Deutschland von der IG Metall. Nach intensiven Verhandlungen und Streiks kam es 1984 in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württembergs zu einem Tarifvertrag, der eine schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden vorsah. Dieses Modell setzte sich vor allem in tarifgebundenen Unternehmen durch – ein flächendeckender Standard ist die 35-Stunden-Woche bis heute jedoch nicht.

In welchen Branchen ist die 35-Stunden-Woche verbreitet?

Die 35-Stunden-Woche kommt hauptsächlich in tarifgebundenen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung – also z. B. bei großen Automobilherstellern und deren Zulieferern. Weitere Branchen, in denen dieses Modell verbreitet ist oder diskutiert wird, sind:

  • Chemische Industrie
  • Öffentlicher Dienst (in Teilen)
  • IT- und Kreativwirtschaft (als freiwilliges Modell)
  • Pilotprojekte in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

Wichtig: Die 35-Stunden-Woche ist in der Regel tariflich vereinbart. In Betrieben ohne Tarifbindung gilt weiterhin meist die 38- bis 40-Stunden-Woche. Auch in Teilzeitmodellen spielt sie eine Rolle – so wird die Teilzeit mit 35 Stunden pro Woche zunehmend diskutiert.

Wie lässt sich die 35-Stunden-Woche rechtlich umsetzen und in der Praxis gestalten?

Die 35-Stunden-Woche ist mit dem deutschen Arbeitsrecht problemlos vereinbar. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) erlaubt bis zu 48 Stunden pro Woche – kürzere Arbeitszeiten wie 35 Stunden sind daher rechtlich unproblematisch, sofern sie vertraglich oder tariflich geregelt sind. Eine rechtliche Pflicht zur Einführung gibt es nicht, oft geschieht sie auf Grundlage von Tarifverträgen oder freiwilligen betrieblichen Vereinbarungen.

In der Praxis wird die Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduziert, indem Unternehmen verschiedene Arbeitszeitmodelle anbieten. Typische Modelle sind:

  • Klassisches Modell: 5 Tage pro Woche à 7 Stunden – insbesondere in Büroberufen und Verwaltung üblich. Die Monatsstunden bei 35 Stunden Woche betragen in diesem Fall rund 151 Stunden (bei 4,33 Wochen pro Monat).
  • Vier-Tage-Woche: Arbeitstage mit ca. 8,75 Stunden – ein zusätzlicher freier Tag pro Woche schafft mehr Erholungszeit.
  • Gleitzeit mit Kernarbeitszeit: Mitarbeiter können Beginn und Ende ihres Arbeitstags flexibel wählen, müssen jedoch während einer definierten Kernarbeitszeit (z. B. 10 bis 15 Uhr) verfügbar sein.
  • SchichtarbeitIn Industrie- oder Pflegeberufen, in denen häufig mit unterschiedlichen Schichtmodellen gearbeitet wird, erfolgt die Umsetzung der 35-Stunden-Woche über kürzere Schichten oder angepasste Schichtpläne.
  • Vertrauensarbeitszeit: Besonders in der Wissensarbeit wird auf genaue Zeiterfassung verzichtet – stattdessen zählt das Ergebnis. Die 35-Stunden-Woche dient bei der Vertrauensarbeitszeit als Richtwert.

Welche Variante zum Einsatz kommt, hängt stark von Branche, Unternehmenskultur und Arbeitsinhalten ab. Wichtig ist eine transparente Kommunikation der Regelung sowie klare Absprachen zu Pausen, Überstunden und Zeiterfassung – oft geregelt in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen.

Beispiel aus der Praxis: Vier-Tage-Woche mit 35 Stunden

Marion arbeitet im Marketing eines Startups, das 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt hat – verteilt auf vier Arbeitstage. Das Unternehmen hat sich für das Modell „4 x 8,75 Stunden“ entschieden, um einen zusätzlichen freien Tag pro Woche zu ermöglichen. Die Mitarbeiter wählen individuell, ob sie montags oder freitags frei haben möchten – in Abstimmung mit dem Team und den Projektplänen.

Marion hat sich für den Freitag entschieden. Sie startet ihren Arbeitstag um 8:30 Uhr und ist meist gegen 17:15 Uhr fertig, mit 45 Minuten Mittagspause. Die verlängerten Arbeitstage empfindet sie als anstrengender, aber der freie Freitag gibt ihr mehr Raum für Erholung, Arzttermine oder Familienzeit. Das Unternehmen verzeichnet seit Einführung des Modells eine höhere Zufriedenheit und eine sinkende Fehlzeitenquote.

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Welche Vorteile und Nachteile hat die 35-Stunden-Woche?

Die 35-Stunden-Woche wird häufig im Zusammenhang mit dem Wunsch nach besserer Vereinbarkeit und gesünderem Arbeiten genannt. Zu den wichtigsten Argumenten, Stunden zu reduzieren, zählen mehr Lebensqualität, höhere Produktivität und eine faire Verteilung von Arbeit. Gleichzeitig gibt es auch Bedenken – etwa in Bezug auf Kosten oder die praktische Umsetzung im Betrieb. Die folgende Übersicht zeigt zentrale Vorteile und mögliche Nachteile des Modells.

Vorteile Nachteile
Gesundheitliche Entlastung: Weniger Arbeitsstunden pro Woche reduzieren das Risiko für Burnout und andere stressbedingte Erkrankungen. Geringeres Einkommen: Wenn das Gehalt nicht an die neue Arbeitszeit angepasst wird, sinkt das Monatseinkommen.
Work-Life-Balance: Arbeitnehmer haben mehr Zeit für Familie, Freizeit und persönliche Interessen. Arbeitsverdichtung: Die gleiche Arbeit muss in weniger Zeit erledigt werden, was zu Stress führen kann.
Produktivitätssteigerung: Studien zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten nicht zwangsläufig zu weniger Leistung führen – im Gegenteil, sie fördern oft die Effizienz. Schwierige Umsetzung im Schichtbetrieb: Gerade in produktionsintensiven Branchen kann die Reduzierung der Arbeitszeit zu organisatorischen Problemen führen.
Höhere Mitarbeiterbindung: Unternehmen mit kürzeren Arbeitszeiten gelten als attraktivere Arbeitgeber. Wettbewerbsfähigkeit: In international agierenden Unternehmen besteht die Sorge, dass kürzere Arbeitszeiten mit höheren Kosten verbunden sind.
Arbeitsumverteilung: Durch kürzere individuelle Arbeitszeiten können mehr Menschen beschäftigt werden.  

Welchen Einfluss hat die 35-Stunden-Woche auf Gehalt, Rentenansprüche und Urlaub?

Die Auswirkungen der 35-Stunden-Woche auf das Gehalt hängen stark vom Tarifvertrag oder der individuellen Vereinbarung ab. Häufig bleibt der Monatslohn gleich, obwohl die Wochenarbeitszeit sinkt – insbesondere in tarifgebundenen Unternehmen. Damit erhöht sich rechnerisch der Stundenlohn.

Der Urlaubsanspruch bleibt in der Regel unverändert, da dieser sich auf Arbeitstage und nicht auf Wochenstunden bezieht. Bei einer Umstellung auf die 35-Stunden-Woche kann es aber zu Anpassungen der Urlaubsdauer kommen, falls die Arbeitstage verändert werden (z. B. bei einer 4-Tage-Woche).

Sozialabgaben und Rentenansprüche richten sich nach dem Bruttolohn. Wird bei kürzerer Arbeitszeit weniger verdient, können sich daraus geringere Rentenansprüche ergeben – sofern keine Kompensation erfolgt. Das gilt insbesondere bei Teilzeit, wenn 35 Stunden nicht tariflich als Vollzeit definiert sind.

Fazit: Ein Arbeitszeitmodell mit Perspektive

Die 35-Stunden-Woche steht nicht nur für ein historisches Ergebnis tariflicher Auseinandersetzungen, sondern auch für ein Arbeitszeitmodell mit Zukunftspotenzial. Sie reagiert auf zentrale Anforderungen an zeitgemäße Arbeitsorganisation: mehr Flexibilität, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie eine gesunde Balance zwischen Leistung und Erholung.

Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten erfolgreich umgesetzt werden können:

  • Vier-Tage-Woche: In verschiedenen Pilotprojekten, etwa in Deutschland, Großbritannien und Island, wurde eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit mit positiven Effekten auf Produktivität und Zufriedenheit getestet.
  • Veränderte Arbeitswerte: Viele Beschäftigte wünschen sich mehr Selbstbestimmung bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit – insbesondere in wissensintensiven und kreativen Berufen.
  • Wettbewerb um Fachkräfte: Flexible Modelle wie die 35-Stunden-Woche stärken die Arbeitgebermarke und helfen dabei, qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu binden.
  • Arbeitszeit als Steuerungsinstrument: Unternehmen nutzen verkürzte Arbeitszeiten gezielt, um Überlastung zu vermeiden und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.

Voraussetzung für den Erfolg sind klare Strukturen, eine funktionierende Kommunikation im Team und eine technisch unterstützte Arbeitszeiterfassung. Wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind, kann die 35-Stunden-Woche zur tragfähigen Alternative zu klassischen Vollzeitmodellen werden – mit Vorteilen für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.

Anna Geisler
Geschrieben von Anna Geisler

Anna Geisler ist unsere Expertin für Themen rund um einen entspannten Arbeitsalltag, modernes Zeitmanagement und HR-Themen. Ihr Fachwissen zieht sie aus ihrem Management-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing und HR sowie aus ihrer langjährigen Erfahrung als Online-Redakteurin mit Fokus auf digitale Arbeitswelten. Bereits seit 2020 gehört Anna zum Team von Clockodo. Als Online-Redakteurin betreut sie das Info-Portal mit redaktionellem Know-how und Fokus auf Aktualität und Relevanz für Unternehmen. Ein besonderes Highlight ihrer bisherigen Arbeit bei Clockodo war ihre Mitwirkung am umfassenden Relaunch der Marke.

Kollegin Katharina
Geschrieben von Katharina Primke

Katharina Primke ist unsere Expertin für Themen rund um den modernen Arbeitsalltag, Zeitmanagement und effiziente Arbeitsorganisation. Mit ihrer umfangreichen Erfahrung als Redakteurin und ihrem akademischen Abschluss in Germanistik betreut sie das Clockodo-Info-Portal. Dort bereitet sie komplexe Fragestellungen verständlich auf, bezieht aktuelle Entwicklungen wie gesetzliche Neuerungen zur Arbeitszeiterfassung ein und liefert praxisnahe Inhalte für Unternehmer und Personalverantwortliche. Darüber hinaus sammelt sie Tipps und Hintergründe, die den Berufsalltag digitaler und strukturierter machen.

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