Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug – ist das rechtens?
Wie eine US-amerikanische Forscherin in Interviews in einer Consultingfirma herausfand, tricksen immer mehr Arbeitnehmer bei der Zeiterfassung. Verständlich, sagen viele Experten angesichts der steigenden Arbeitszeiten. Arbeitszeitbetrug ist viel mehr als ein Kavaliersdelikt, sagen andere. Das bestätigte das Arbeitsgericht Gießen in einem Urteil, indem es die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters nach mehr als 25-jähriger Unternehmenszugehörigkeit bestätigte, weil dieser bei der Zeiterfassung trickste.
Der Fall
Seit mehr als 25 Jahren war der 46-jährige Kläger in einer Großmetzgerei beschäftigt, welche die Zeiterfassung über einen Chip bedient. Der Kläger wurde dabei beobachtet, dass er den Chip in seinem Portemonnaie ließ und dieses zusätzlich abschirmte, damit das Zeiterfassungsgerät sein Verlassen des Produktionsbereiches und das Wiedereintreten nicht registriert. Wie der Arbeitgeber feststellte, hat der Kläger mit diesem Schema in 1,5 Monaten Pausen von insgesamt mehr als 3,5 Stunden gemacht. Da die Zeiterfassung piept, wenn sich ein Mitarbeiter an- oder abmeldet, galt auch ein Versehen des Klägers als ausgeschlossen. Die Gerichte hielten die fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs für gerechtfertigt. Der Vertrauensbruch wiege schwerer als die lange Betriebszugehörigkeit. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen.
(Az.: 16 Sa 1299/13)
In anderen Fällen von Arbeitszeitbetrug ließen die Gerichte eine fristlose Kündigung nicht zu. Ob dieses letzte Mittel vom Arbeitgeber bei Arbeitszeitverstößen anzuwenden ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Eine Einzelfallentscheidung
In jedem Einzelfall muss der Richter entscheiden, ob eine fristlose Kündigung angebracht ist. Dabei geht es um die Beweise des Arbeitgebers beziehungsweise des Klägers. Was häufig zu Buche schlägt, ist das verletzte Vertrauensverhältnis. Besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nach einer Abmahnung ändert, ist eine solche schriftliche Mahnung der erste Schritt. Ist das Vertrauen vom Chef in den Mitarbeiter nachhaltig geschädigt und die Wahrscheinlichkeit einer Tatwiederholung groß, kann eine Kündigung rechtens sein. Das Arbeitsverhältnis kann dann nicht beruhigt weitergeführt werden.
Auch die Schwere und Häufigkeit des Arbeitszeitbetrugs ist entscheidend. Der entstandene wirtschaftliche Schaden spielt ebenfalls eine Rolle: Wie viel Zeit hat sich der Arbeitnehmer erschlichen? Konnte er seine Arbeitsleistung trotzdem in vollem Umfang erbringen? Eine langjährige Betriebszugehörigkeit schützt den Mitarbeiter dabei nicht. Dennoch ist bei Arbeitszeitbetrug oft eine Abmahnung zunächst das Mittel der Wahl.
Grundsätzlich sollten Arbeitgeber vor einer Maßnahme mit dem mutmaßlichen Betrüger über den Sachverhalt sprechen. Die Möglichkeit besteht, dass der Angestellte unbewusst gehandelt hat und ein Vertrauensbruch ausgeschlossen ist. Zu einem Gespräch muss der Beschuldigte wissen, um was es geht, und die Möglichkeit haben, einen Beistand mitzunehmen. Auf eine oder mehrere Abmahnungen wegen Arbeitszeitbetrug folgt dann die fristlose Kündigung.
Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist auch denkbar. Es handelt sich um ein Fehlverhalten des Beschäftigten, das eine fristgerechte oder außerordentliche Kündigung zur Folge haben kann.
Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund muss der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Tatbestand aussprechen.